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Niederkirch Untersulmetingen
Die untersulmetinger Pfarrkirche wird Niederkirch genannt. Sie ist eine bekannte und in vergangenen Zeiten viel besuchte Wallfahrtskirche. Weiter geht aus einer Urkunde hervor, dass der Ortsteil um die Kirche von den Bewohnern selbst "Niedersulmetingen" genannt wurde.
Bis zum Jahre 1813 war die Niederkirch auch die Pfarrkirche von Obersulmetingen, was umso mehr verwunderlich erscheint, wenn man den Standort der Kirche bedenkt. Eine Sage erzählt, dass man in früherer Zeit tatsächlich die Kirche zwischen die Dörfer habe bauen wollen, am nächsten Morgen jedoch sei das gesamte Bauholz an der Stelle der heutigen Niederkirch gelegen. Dies sei drei Mal geschehen, obwohl Wachen aufgestellt worden waren. Diese Vorgänge wurden als Zeichen verstanden und der geplante Standort der Kirche wurde daraufhin geändert.
Aus Quellen geht hervor, dass es am jetzigen Standort der Niederkirch in vergangenen Zeiten bereits eine Feldkirche gab. Auf den ersten Blick isoliert, steht die Kirche, geographisch gesehen, jedoch am Schnittpunkt der beiden Wege Schemmerberg - Rißtissen und Munderkingen - Laupheim. Zudem führten in näherer Umgebung drei Römerwege vorbei, die in Rißtissen mündeten - strategisch und wirtschaftlich gesehen steht die Kirche also an einem zentralen, belebten Ort. Ob hier eine ehemalige alemannische oder christliche Kultstätte war, ist zwar unbewiesen, aber nicht unmöglich. Um 746 wurde die Niederkirch von missionierenden Mönchen aus Freising aufgebaut. Das Wirken der Freisinger Mönche zeigt sich im Patronat des Hl. Georg, das an die vielen Georgskirchen in Bayern erinnert. Auch die Statuen der hll. Odilia und Walburga weisen auf bayerische Einflüsse hin.
Nach den Wirren der damaligen Zeit fielen 926 heidnische Ungarn in unsere Gegend ein und brannten die Kirchen nieder, wobei auch die Niederkirch nicht verschont blieb. Da die Gefahr weiterer Einfälle bestand, wurde die Niederkirch erst nach der "Schlacht auf dem Lechfeld" (955, endgültiger Sieg über die Ungarn) wieder aufgebaut.
1235 wurde die Niederkirch unter dem Stauferkaiser Friedrich II. Reichseigentum, wodurch die Niederkirch Reichskirche war und fortan dem Kaiser unterstand, bzw. einem von ihm bestellten Vogt (u.a. den Grafen von Helfenstein, später den Schad von Obersulmetingen und deren Nachfolgern und ab 1699 der Benediktinerabtei Ochsenhausen). Dabei blieb es bis zum Ende des Hl. Römischen Reiches deutscher Nation, bzw. bis zur Säkularisation (1803).
1275 stifteten die Grafen von Heiligenberg der Niederkirch einen Altar zu Ehren Mariens, was das Ansehen der Kriche steigerte. Sie erfreute sich von nun an großen Zulaufs von nah und fern. Des weiteren waren die Kirche und die Pfarrei sehr gut dotiert, da ihr unter anderem zwei Kaplaneipfründe gehörten und der Pfarrer der Dekan des Dekanates Sulmetingen war. Bald entstand hier ein Markt, der besonders am Fest des hl. Georg am 23. April abgehalten wurde. Um 1360 jedoch ging der Dekanatssitz von Sulmetingen an die Stadt Biberach über.
Die darauf folgenden Jahrhunderte zeichnen sich durch viele Veränderungen bezüglich der Besitzverhältnisse und der Politik aus. Hier sei nur erwähnt, dass die Trennung der Dörfer Ober- und Untersulmetingen in die Zeit zwischen 1429 und 1441 fällt. Um 1500 erhält die Niederkirch als zweiten Patron den hl. Sebastian. Dieser war damals hochverehrt, zum einen als Nothelfer in Pestzeiten und noch mehr als Patron der Schützen. Die Gilden bildeten zu dieser Zeit Bruderschaften und errichteten unter anderem Altäre in Untersulmetingen.
Der Marienaltar wurde zur Verehrung des hl. Sebastians bestimmt. Somit rückte die Muttergottes in die Mitte, auf den Hochaltar und die beiden Nebenaltäre wurden den hll. Georg und Sebastian geweiht. Im Jahre 1613 wurde die Muttergottesstatue auf dem Hochaltar ausgetauscht. Es heißt, dass die Statue vom Seitenaltar zu klein und unscheinbar wirkte und im Laufe der Jahre morsch geworden war. Das neue Standbild war und ist nun Zentralfigur des Hochaltares. Die Beliebtheit der Wallfahrtskirche steigerte sich damit noch weiter. Die vielen Devotionalien an der Rückwand des Altares, in vergangenen Zeiten leider entfernt, sind Zeugen der Gebetserhörungen. Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648) fügte der Niederkirch nur wenige Schäden zu, die auch schnell wieder behoben werden konnten, nicht zuletzt durch die Spenden der Marienwallfahrer.
1679 wurde mit Renovierungsarbeiten an der Kirche begonnen: Die Instandsetzung des Kirchendaches und die Aufrichtung des Glockenturmes in barocker Bauweise waren die ersten Schritte. 1682 wurde Sakristei erbaut, 1685 wurden zwei Altäre eingeweiht. 1687 wurde von einem ulmer Glockengießer die Wetterglocke, die beide Weltkriege überstand, erworben. Durch die Türkenkriege, die Kriege Ludwigs des XIV. sowie durch den Spanischen Erbfolgekrieg verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage derart, dass die Renovierungsarbeiten eingestellt werden mussten. Von 1740 - 1745 erfolgten auf Anlass des Klosters Ochsenhausen (damaliger Besitzer der Niederkirch, des Schlosses und der Kapelle) weitere umfangreiche Erneuerungsarbeiten, zu denen ein Pfleger schrieb: "Demnach die uralte Pfarrkirche ... sich in gar schlechtem Wesen und Zustand befunden, als hat der hochwürdige Reichsprälat ... beschlossen, mit der schad- und mangelhaften Pfarrkirchen folgende Reparaturen vorzunehmen." So wurde der Kirchturm mit frischen eichenen Schindeln und das Kirchendach statt der Hohlziegel mit Platten bedeckt. Des weiteren wurde der Dachstuhl ausgebessert. An Nord- und Südseite wurden Glasfenster in Eisenrahmen eingebaut. Vorher waren an der Nordseite nur Löcher und im Chorraum gab es gar kein Licht. Das beschädigte Deckentäfer wurde heruntergerissen und durch eine Stuckdecke mit Freskenmalereien ersetzt. Des weiteren wurde die Kirche innen und außen gestrichen und der Fußboden mit Eystetter Stein besetzt. In dieser Bauphase entstand auch das Oratorium. Grabsteine (Fuggergräber), die bei der Stellung des Altares hinderlich waren, wurden ins Glockenhaus gesetzt. Die Handwerksmeister waren gleichzeitig mit der Erneuerung der Kapelle sowie der Schlossanlage beauftragt. Selbige Baumeister waren:
Stukkateur Johann Wiedemann aus Ochsenhausen, Maler Franz Joseph Spiegler aus Riedlingen, Balier Widmann, Altarbauer Hans Georg Schopp aus Oberkirchberg, Maler Georg Wilhelm Härle aus Kirchberg, Bildhauer Dominicus Herberger (Choraltar, Tabernakel und Statuen) sowie heimische Meister. Anläßlich der Renovation wurde ein Epitaph zu Ehren des Schlosskaplans Christian Stöferle angebracht.
120 Jahre später erfolgte wieder eine dringend notwendig gewordene Renovation. Statt den barocken Stil beizubehalten, erfolgte eine komplette Stiländerung (neogotisch). Damit verlor man die barocke Decke, den Hochaltar und die Seitenaltäre. Im Jahre 1904 wurde der unpassende neogotische Altar wiederum durch einen neuen ersetzt. In diesem nun nimmt die Statue der Himmelskönigin einen zentralen Platz ein. Hinzu kamen neue Fenster mit Bildern aus der Heiligengeschichte, welche von Gläubigen gestiftet wurden. Der anwachsenden Kinderzahl wegen wurden im Chorraum Kinderbänke aufgestellt. Die seit dem Jahre 1743 uneinheitlich erneuerte Kirche sollte durch eine erneute Renovierung ruhiger gestaltet werden. Von 1957 - 1958 wurden die im Chor noch vorhandenen Fresken erneuert, die bemalten Kirchenfenster entfernt und durch barocke Butzenscheiben ersetzt. Die stilwidrigen neogotischen Seitenaltäre wurden durch stilgerechtere abgelöst. Kunstmaler Schönecker aus Wangen malte die drei Deckengemälde über dem Chor: Die Aufnahme Mariens in den Himmel, über dem Schiff vier Bitten aus der Muttergotteslitanei (Heil der Kranken, Zuflucht der Sünder, Trösterin der Betrübten und Hilfe der Christen). Über der Orgelempore ist die hl. Cäcilia dargestellt. Die Decke wurde durch das Einfügen von Stuck verschönert.
1989 erfolgte die letzte Renovation. Das Gemäuer und der Grund um die Kirche waren feucht, sodass zunächst mit der Trockenlegung begonnen werden musste. Zudem wurden das Dach, die Bühne und das Gestühl im Langhaus erneuert. Durch das Entfernen der Kinderbänke und die Gestaltung des neuen Altares erhielt der Chorraum eine viel größere Dimension. Als letzte Maßnahme wurde eine neue Orgel aufgestellt. Die feierliche Einweihung des neuen Altares durch Weihbischof Johann Kreidler und das damit verbundene Gemeindefest am 31. August 1992 bei der Niederkirch wird noch vielen in Erinnerung sein.
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